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Das Bauamt

  • gabrieleheyne
  • 25. Juni
  • 3 Min. Lesezeit
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Es war eine schöne Dachgeschoss-Wohnung, die sich da auf dem Plan präsentierte. Nur statt der schrägen Fenster sollten es Dachgauben sein, dann würde der Kunde kaufen und da der Kunde König ist, versprach ich, mich darum zu kümmern.

Es dürfen nicht überall Gauben gebaut werden. Das muss schon extra genehmigt werden, denn eine Gaube, nicht gut bedacht, kann das allgemeine Bebauungsbild stören. So gibt es denn Erlasse für Gauben und gegen Gauben und ich wollte herausfinden, welcher Erlass in meinem Fall gegeben war.

So rief ich Frau Kurz vom Bauamt an, die ich von früheren Gesprächen kannte. „Guten Tag, Frau Kurz! Können Sie mir sagen, ob in der Nelkenstraße Gauben erlaubt sind?“

„Dazu kann ich Ihnen nichts sagen, da verbinde ich Sie mit Herrn Stöcker.“

Nach den melodischen Klängen einer Spieldose meldetet sich dieser etwas schroff: „Stöcker!“

„Guten Tag Herr Stöcker“, ich war etwas unsicher geworden, „ich hätte gerne gewusst, ob in der Nelkenstraße Gauben erlaubt sind?“

„Do misse Se de Bebauungsplan  einsehe! Am beste Se zeichne mol uff, was Se wolle und dann komme Se damit her.“

„Kann man den Bebauungsplan denn nicht kopieren und die Kopie mit der Post zusenden? Es ist zu Ihnen auf das Bauamt ziemlich weit von hier.“

„Ja, liewi Frau, der ist nicht zu kopiere. Da misse Se schon daherkomme! Wie gsagt, mole Se´s auf und dann seh ma weider!“

Das Bauamt ist fast allmächtig! Es ist ratsam, sich mit den Leuten gut zu stellen!

So setzte ich mich ans Zeichenbrett und zeichnete Gauben in verschiedenen Ausführungen.

In der folgenden Woche rief ich, gut vorbreitet, wieder beim Bauamt an.

 „Nach den Gauben haben Sie mich doch schon einmal gefragt!“

„Ja, hatte ich, aber nun hätte ich gerne einen Termin zur Einsicht in den Bebauungsplan. Können Sie mich mit Herrn Stöcker verbinden?“

„Der Herr Stöcker ist nicht da, aber der Herr Brandt vertritt ihn.“

Schon war ich aus der Leitung geworfen.

Der Herr Brandt erwies sich als freundlicher Mensch, der mir sagte, dass Termine nicht vergeben werden, aber „Kundenverkehr“ donnerstags von 9.00 Uhr bis 12:00 Uhr sei.

Den folgenden Donnerstag nahm ich alle Staus in der Stadt und auf der Autobahn in Kauf

und war um 9:35 Uhr auf dem Bauamt.

Es warteten schon Andere vor  mir. Ich reihte mich ungeduldig in die Schlange der Wartenden ein. Drei Personen im Sonntagsstaat saßen auf der Bank, ein Mann lief unruhig auf und ab, zwei Männer unterhielten sich angeregt. Ich wartete fast eine Stunde.

Endlich war ich im Zimmer bei Herrn Brandt. Noch während ich meine Frage formulierte, klingelte das Telefon. Herr Brandt ließ es klingeln. Es störte.

Wohl nicht nur mich, denn die Vorzimmerdame kam vorwurfsvoll hereingestürmt und ermahnte ihn abzunehmen. Ich bewunderte die Ruhe, mit der er sagte, dass er nicht gestört werden wolle und es als unhöflich den Leuten gegenüber betrachte, die auf ihn warten.

Der Mann war mir sofort sympathisch.

Ich brachte meinen Satz zu Ende und holte meine Zeichnungen aus der Tasche, während die Vorzimmerdame aus dem Zimmer rauschte.

Herr Brandt sagte zu mir: „Gehen Sie durch die Glastür, gleich die erste Tür rechts bei den Damen Strauch und Bäuerle, da liegt der Bebauungsplan. Sie können ihn dort einsehen. Wenn darauf Gauben nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind, dann können Sie welche bauen.“

Sollte das so einfach sein?

Ich war schon wieder entlassen. Während ich meine Zeichnungen in die Tasche steckte, ging ich, etwas irritiert, durch die Glastür, um an der ersten Tür rechts zu klopfen.

Frau Bäuerle widmete mir ihre Aufmerksamkeit. Sie zeigte mir den Bebauungsplan der Nelkenstraße. Dieser war ein Modell, sorgfältig und anschaulich ausgearbeitet und somit tatsächlich nicht kopierbar. Wir lasen die Legende durch, die darüber Auskunft gibt, welche Bauformen genehmigt oder untersagt sind. Gauben waren nicht aufgeführt und somit erlaubt. Meine Zeichnungen waren überflüssig!

Ich ließ mir diese Information nochmal bestätigen, um ganz sicher zu sein.

Zum Abschluss fragte ich Frau Bäuerle, ob sie mir diese Auskunft auch am Telefon gegeben hätte.

„Aber natürlich“, war ihre Antwort mit einem schwäbischen Akzent.

Ich notierte die Durchwahl zu den beiden Damen und verließ das Zimmer.

Auf dem Flur begegnete ich Herrn Brandt: „In dieses Zimmer müssen Sie gehen“, sagte er, auf die Tür deutend, aus der ich gerade gekommen war.

Wie Recht er hatte …

Diese Geschichte ist so auf einem Bauamt in Rheinland-Pfalz geschehen.

 

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