Atemlos
- gabrieleheyne
- 26. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Aug.

Atemlos, schwach, Übelkeit, Schwindel, immerzu - es hört nicht auf, macht mir Angst, was - wenn ich umfalle? Es ist niemand da - aber das Handy ist in der Nähe. Ich mache den Fernseher an - will mich ablenken - versuche der Handlung zu folgen - kann mich nicht konzentrieren. Dann versuche ich es mit einem Buch, die Augen gleiten über die Zeilen, aber ich weiß am Seitenende nicht, was ich gelesen habe. Das Sitzen tut im Rücken weh. Rutsche hin und her, es wird nicht besser.
Telefonieren will ich auch nicht. Was hätte ich schon zu sagen. Ich will niemandem etwas vorjammern.
Ich lege mich wieder. Wirre unschöne Gedanken sind in meinem Kopf. Ich möchte sie verscheuchen und gegen schöne, helle Gedanken ersetzen. Aber ich finde sie nicht. Sie haben sich gerade versteckt.
Ich trinke etwas - ob ich Magnesium brauche? Es kribbelt im ganzen Körper und ich habe Durchfall - heftig - nehme das Mittel gegen den Durchfall - komme trotzdem nicht vom Topf - der Unterleib tut weh und ich kann gar nicht mehr sitzen.
Radio an - das ist gut. Ich stehe auf und bewege mich ein wenig zur Musik. Aber die Füße tun so weh, dass ich kaum auftreten kann und der Magen grummelt. Wieder diese Übelkeit. Ich krümme mich. Trinke Sprudelwasser - kann aufstoßen. Das ist gut, befreit ein wenig. Vielleicht etwas essen? Mein Magen sagt „nein“.
Dann liege ich wieder auf meiner Coach, sehe auf das Makramee mit den Herzchen an der Wand und sehe den Blättern der großen Topfpflanze zu, wie sie sich bewegt im Luftzug durch das offene Fenster. Stimmen kommen von der Straße, die mir zeigen, dass ich nicht allein bin.
Das viele Liegen ist nicht gut - macht Kopfschmerzen und die übrigen Schmerzen werden auch nicht besser. Es ist ein fieser Kreislauf - wenn man sich nicht bewegt, dann bekommt man Schmerzen und wenn man Schmerzen hat, dann ist man unbeweglich. Aber wie ist das, wenn man sich bewegt und trotzdem Schmerzen hat? Das nennt man dann wohl Alterserscheinungen?
Wer kennt das?
Ich bin wütend und grolle mit der Situation.
Ich weiß, dass es vergeht. Es war schon oft so und immer ging es vorbei.
Aber jetzt wäre es schön, wenn mir jemand sagen würde „das geht vorbei“ - ich kann mich gerade nicht selbst überzeugen.
Die Stunden schleichen. Der Kopf dröhnt. Ich bin müde vom Nichtstun, nicke immer wieder ein wenig ein. So vergeht die Zeit. Ich habe Zeit. Noch nie in meinem Leben hatte ich so gute Rahmenbedingungen und so viel Zeit wie jetzt und eigentlich müsste ich täglich hurra schreien und Luftsprünge machen. Warum lässt mich mein Körper nicht hüpfen?
Es gab Zeiten in meinem Leben, da habe ich mir solche Tage gewünscht ohne Verpflichtungen, ohne Arbeit, nur für mich und viel Ruhe. Das habe ich jetzt!
Auch Zeit zum Nachdenken darüber, warum ich wieder in dieser schwachen, kraftlosen und erschöpften Situation bin.
Schon sehr früh habe ich gelernt, dass der Mensch nur zählt, wenn er etwas tut und zwar etwas Sinnvolles. Was sinnvoll war, bestimmte die Gesellschaft oder die Familie, in der man aufwuchs. Und so wurde ich zu einem fleißigen Mädchen, das als Kind und auch viele, viele Jahre als Erwachsene, Angst hatte, bei Müßiggang erwischt zu werden. (Leider zählte auch z. B. Vokabellernen nicht zur Arbeit. Der Arbeitsprozess im Kopf war nicht offensichtlich erkennbar.) Es hieß immer: „Mach mal schnell deine Hausaufgaben, dass noch was gschafft kriegscht!“ (Ich habe schwäbische Vorfahren.) Es hieß bei uns auch immer: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ In einer Gärtnerei, in der ich aufgewachsen bin, hörte die Arbeit nie auf - also gab es auch kein Vergnügen! So einfach habe ich das erlebt. Urlaub gab es nicht. Pausen waren nur die Mahlzeiten. Persönliche Freiräume oder Bedürfnisse wurden unter „Egoismus“ eingeordnet und Egoismus war schlecht.
Was persönliche Grenzen sind, habe ich erst mit über fünfzig Jahren in der Theorie bei meinem Psychologiestudium erfahren.
In der Praxis bin ich noch weit davon entfernt, meine Grenzen rechtzeitig zu erkennen.
Und so gehe ich heute - viele Jahre später - immer wieder über meine Grenzen, bis es mir so schlecht geht, dass ich nicht mehr kann und Tage brauche, um wieder zu Kraft zu kommen.
Wenn ich merke, dass es zu viel ist, dann ist es meist zu spät.
Und ich finde immer Arbeit und Beschäftigung und freue mich daran, wenn ich wieder aus „gelungenen Taten“ meinen Wert geschöpft habe, um dann tagelang Zeit zu haben, darüber nachzudenken, was ich besser nicht oder anders gemacht hätte.
Wer kennt das?
Ganz bestimmt bin ich mit diesen Erfahrungen nicht allein und würde mich sehr über Rückmeldungen freuen.
Was ich dann, wenn es ein wenig besser geht, mache?
Ich mache Musik an und versuche mich ein wenig dazu zu bewegen.
- mache Streck- und Dehnübungen (ganz wichtig ist für mich: immer den Körper
strecken und zur vollen Größe gerade / aufrecht ziehen)
- widme mich in Meditationen schönen Worten und Gedanken
- schreibe auf, wofür ich dankbar bin.
- mache 2-3 Lachyoga-Übungen.
Und ich habe immer eine Collage zum Anschauen bereit - in einem weiteren Beitrag erkläre ich das näher.
Und hier will ich es mal festhalten, auch, dass ich es zur eigenen Beruhigung bei Bedarf nachlesen kann: Die ganz unangenehmen Symptome dauerten dieses Mal einen Tag, die folgende Nacht war noch nicht gut, sehr unruhig mit unangenehmen Träumen. Am darauffolgenden Tag fühlte ich mich sehr schwach und konnte meinen Großmutter-Einsatz nicht erbringen.
Dann ging es wieder aufwärts. Zu lang, um „gelungene Taten“ zu rechtfertigen . . .


