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Neben der Fräse

  • gabrieleheyne
  • 7. Sept. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Apr.

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Es ist ein nebliger Herbsttag. Allein beim Blick nach draußen fröstelt es Hilde. Sie deckt sich mit ihrer rosa Kuscheldecke noch etwas besser zu in ihrem Sessel und schlägt ein altes Fotoalbum auf. Da war eine Lücke auf der einen Seite. Ein Bild war herausgenommen. Hilde hatte es entfernt, weil sie sich beim Betrachten immer schlecht fühlte. Lange begriff sie nicht warum. Es zeigte sie als kleines Mädchen mit ihrem Großvater. Sie empfand sein Gesicht immer wie ein grinsendes Monster.

Viele Jahre später erst begriff sie, warum das so war. Und dann nahm sie das Bild heraus.

Nein - über die ganze Geschichte möchte sie jetzt nicht nachdenken, aber die Szene an der Fräse kam ihr doch in den Sinn und ließ sich nicht wegschieben. Hilde war noch sehr klein, noch nicht in der Schule.

Es war im Frühjahr, ein warmer Tag und der Großvater hatte mit der großen Fräse das Kartoffelbeet bearbeitet. Dann macht er das Ungetüm aus, stellt es am Rand des Feldes vor der Fliederhecke ab und setzt sich daneben. Hilde hat große Angst vor der großen lauten Maschine. Der Großvater ruft sie zu sich und fordert sie auf, sich auf sein Bein zu setzen.

Er zeigt ihr die Regenwürmer, die sich aus der frisch gepflügten Erde schlängelten. Ein winziges Spinnchen ließ er von seiner Hand auf Hildes Hand  laufen. Ein schillernder Käfer rannte mit seinen vielen Füßen über die Erdscholle. Für Hilde war die Berührung mit allem was krabbelt ganz normal und die bunten Käfer fand sie wunderschön.

Doch dann schiebt der Großvater seine große Hand unter ihr Röckchen und führt ihre kleine Hand auf etwas Hartes in seiner Hose.  Das, was sie da anfassen soll, mag sie nicht.

Seine Hand unter ihrem Röckchen ist groß und zu warm. Sie gehört da nicht hin. Hilde will wegrutschen, aber der Großvater sagt: „Bleib sitzen!“ Sie gehorcht.

Die große Fräse macht ihr Angst.

 

Noch heute bekommt sie Herzklopfen und feuchte Hände, wenn sie daran denkt.

Das war damals der Anfang einer Zeit und von Erlebnissen, die sie gerne ganz vergessen würde. Aber leider gelingt ihr das nicht.

 

Draußen kämpft sich die Sonne durch den Nebel. Sie steht auf und geht hinaus, um sich abzulenken.

 

„Vorbei - es ist vorbei!“ sagt sie sich immer wieder.

 

 

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