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Wie der Frosch zum Prinzen wurde

  • gabrieleheyne
  • 2. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit
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Hilde liebt Frösche. Überall hat sie welche sitzen oder stehen, aus Porzellan, aus Kunststoff oder aus Plüsch. Alle schauen sie Hilde mit ihren großen Augen an und es gab eine Zeit - eine Zeit, in der Hilde sich recht einsam fühlte - da wünschte sie sich, dass das Märchen vom Frosch, der zum Prinzen wird, für sie wahr würde.

Nun - sie hatte keine goldene Kugel und sie würde auch bestimmt nicht so garstig mit dem Frosch umgehen, wie es die verwöhnte Königstochter getan hatte. Aber Hilde war auch schließlich keine verwöhnte Königstochter, sondern eher ein Mädchen vom Land, das Respekt hatte vor Tieren. Manchmal streichelte sie ihre Frösche und träumte vom Leben zu Zweit.

Dass es gleichzeitig einen Mann gab, der davon träumte, vom Frosch zum Prinzen zu werden, wusste sie nicht.

Er - ein Mann der Tat - fasste seinen Lebenswunsch in kurzen Worten zusammen und veröffentlichte diese - ganz altbewährt - in der Zeitung. Hilde las sie und wurde neugierig. Sie schrieb - vorsichtig zurückhaltend - am Computer paar Sätze über sich, platzierte ein Foto auf der Seite, nannte ihre Telefonnummer und schickte den Brief an die Zeitung.

Der Mann der Tat griff zum Telefon und rief bei Hilde an, um sie um ihre Adresse zu bitten, er wolle ihr schreiben. Briefe gab es im Märchen nicht. Sie war neugierig. Er schrieb mit blauer Tinte und legte sympathische Fotos vom Fotografen dazu. Das hatte Stil und hat Hilde sehr gut gefallen. Aber - noch bevor sie antworten konnte, bekam sie einen weiteren Brief von ihm, - mit blauer Tinte - in dem er ihr mit vielen Worten umschrieb, dass er einer Anderen den Vorzug gegeben habe. Hilde steckte die beiden Bilder von ihm in einen Umschlag, schrieb ein paar freundliche Worte dazu und übergab ihre Enttäuschung der Post.

 

Die folgenden zwei Monate wurden sehr schmerzhaft für Hilde. Nicht wegen des nicht zustanden gekommenen Kontaktes mit dem Mann der Tat, sondern, weil ihr Körper sie zwang, über Wochen in Krankenhäusern zu verbringen.

Tapfer ließ sie alles über sich ergehen, was Heilung versprach und hatte Erfolg damit.

Nach zwei Monaten war sie wieder zu Hause. Aber es war eine sehr schwierige Zeit. Ihr Leben war aus den Fugen. Veränderungen waren angesagt. Aber sie hatte keine Kraft und keine Mittel.

In diese Zeit kam wieder ein Brief  - mit blauer Tinte geschrieben - vom Mann der Tat.

Ob sie noch Interesse hätte, ihn kennen zu lernen?

Hilde saß in ihrem gemusterten Sessel und dachte nach. Der Brief in ihren Händen wog schwer. Einerseits hätte sie gerne den Kontakt aufgenommen, aber andererseits war ihre Situation so unschön, so anders als zwei Monate zuvor, dass sie Hemmungen hatte, über sich zu schreiben. Sie tat es dann doch, schrieb, was sie gerade hinter sich hatte und dass er sich überlegen möge, ob er noch immer Kontakt zu ihr aufnehmen wolle.

Er wollte immer noch, zerstreute ihre Bedenken und sie machten einen Termin und einen Ort für ein erstes Treffen aus.

Hilde war furchtbar aufgeregt. Den ganzen Vormittag tat sie nichts anderes als sich umzuziehen - an und wieder aus - sie konnte sich nicht entscheiden. Das Treffen sollte um die Mittagszeit stattfinden auf einem Parkplatz hinter einem Schloss an einem kleinen Teich.

So blieb man der märchenhaften Umgebung treu.       

Sie war viel zu früh - er auch.

Er kam nicht schleimig mit großen Sprüngen aus dem Teich über den Parkplatz gehüpft, sondern entstieg einem Auto und kam mit aufrechtem Gang auf sie zu. Hilde dachte spontan: „Wenn er mich jetzt zur Begrüßung in den Arm nimmt, dann hat er gewonnen.“

Er gewann!

Kurze Zeit später saßen sie an der hübsch gedeckten Tafel eines Italieners und aßen Pasta. Hilde konnte vor Aufregung nicht essen. Und so aß er - wie im Märchen - die restlichen leckeren Zitronennudeln von ihrem Teller.

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Dann lud Hilde ihn zu sich nach Hause zu Kaffee und Erdbeertörtchen ein.

In Anlehnung an das Märchen, hätte er jetzt den Wunsch äußern müssen, zu ihr ins Bettchen zu dürfen. Aber das tat er nicht, sondern machte sich brav auf den Heimweg.

Und so ersparte er Hilde (und sich) irgendwelche Abschiedspeinlichkeiten.

Mit all den Eindrücken des Tages geschah spätestens jetzt bei Hilde der spektakuläre Moment seiner Verwandlung vom Frosch zum Prinzen. Und in dieser Nacht, alleine in ihrem Bettchen, träumte sie märchenhaft von Fröschen, die sie mit großen Augen aus dem Teich ansehen und einem aufrechten Mann, der sie in den Arm nimmt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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