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Warme Füße

  • gabrieleheyne
  • 18. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit
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Manchmal tun die alten Knochen einfach weh, denkt Hilde, während sie sich streckt und reckt und langsam, vorsichtig erste Schritte tut.

Draußen liegt ein dünner weißer Film von Eis und Schnee auf den Dächern und auf dem Gras.

Der Fußboden unter ihr ist kalt und sie zieht sich die Pantoffel über die Füße. Schöne Pantoffeln aus Fell, wunderbar wärmend. Dann schlüpft sie in den dicken Morgenmantel und, weil es ihr gerade etwas schwindelig ist, setzt sie sich noch mal auf ihr Bett. Die Ruhe der Nacht liegt noch über dem Raum.

Hilde bewegt ihre vom Hallux verformten und schmerzenden Füße in den warmen Pantoffeln. Dabei erinnert sie sich daran, als ihre Füße an den Zehen und an den Fersen durch Frostbeulen ganz dick und entzündet waren. Das war zu der Zeit, als Hilde ins Gymnasium ging. Für warme Schuhe war kein Geld da, der Schulweg war lang und im Winter kalt. Einmal waren die Frostbeulen so entzündet, dass sie aufbrachen und Hilde keine Schuhe mehr anziehen konnte. Damals ist sie mit Filzpantoffeln in die Schule gegangen, die aber auch nicht wärmten, sondern nur mehr Platz für die Beulen boten.

Sie erinnert sich auch an die Eisblumen an den Fensterscheiben in ihrem Schlafraum und, dass sie sich die Kleider unter das Deckbett holte, um sie aufzuwärmen, bevor sie sie anzog.

Der Schulweg zum Gymnasium teilte sich in drei Teile auf: Erst mit dem Fahrrad zum Bahnhof, dann eine Station mit dem Zug und anschließend noch ein langes Stück zu Fuß.

Schon damals waren die Züge unpünktlich und der Bahnhof kalt und zugig. Oft waren noch die ganz alten Waggons aus Holz im Einsatz, in denen nicht geheizt war. Es gab keine Verbindung der Waggons untereinander. Da konnte dann auch kein Schaffner kommen und nachschauen, ob sie die Fahrkarte dabei hatten und auch artig waren.

Einmal, als sie alleine im Waggon waren, ihre Freundin Ursula und Alex, ein Junge aus der Parallelklasse, haben sie zu dritt eine Zigarette geraucht. Danach spendierte Alex ein Stück Käsebrot. Der Käse war sehr scharf und sollte den rauchigen Mundgeruch überdecken. Hilde erinnert, dass ihr vom Rauch der Zigarette und vom Käse übel war.

An der Zugstrecke entlang ging ein Feldweg. Wenn nach Schulschluss kein Zug fuhr, dann sind Hilde und Ursula an den Gleisen entlang zum Bahnhof des Nachbarortes gelaufen, um da ihre Fahrräder zu holen und das Reststück damit nach Hause zu fahren. Wenn das Wetter schön war, dann fuhr Hilde den ganzen Schulweg mit dem Fahrrad. Das waren etwa zehn Kilometer Landstraße. Damals war noch wenig Verkehr auf den Straßen.

Sie liebte es, mit dem Fahrrad zu fahren. Sie liebte den Wind in ihren Haaren, fuhr durch Pfützen, dass es spritzte, übte freihändig fahren, fuhr auch gerne, wenn es dunkel war und man die Fahrradbeleuchtung so schön sah.

 

Hilde schaut auf ihre Füße, ist dankbar für die warmen Fellpantoffeln und freut sich auf den Morgenkaffee.

 

 

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